Norbert Klaus

Stuttgarter Zeitung, 29. September 2006

Eine Gebirgskette aus 1500 Nähnadeln

Das Reutlinger Spendhaus zeigt Annäherungen an die Alb in der zeitgenössischen Kunst

Von Eva Kirn-Frank

In den letzten Jahren ist die Alb zu einem Refugium für Künstler geworden. Aufgelassene militärische Anlagen oder Industriebauten biten Atelierraum, und die markante Landschaft des Schwäbischen Jura zieht erneut den künstlerischen Blick auf sich - freilich in sehr subjektiver Weise, wie derzeit die „zeitgenössische Annäherungen“ im Reutlinger Spendhaus zeigen. Der Blick der hier ausgestellten sechs Künstler auf die Alb ist distanziert, und ihr Zugriff wählt bewusst Einzelaspekte und schräge Perspektiven.

Im Reutlinger Großprojekt "Alb hoch drei" zeigte das Spendhaus den künstlerischen Zugang zunächst mit klassisch-modernen Positionen seit Wilhelm Laage und Felix Hollenberg, deren Werke auch weiterhin in den obersten der fünf Stockwerke des Gebäudes zum Vergleich einladen. Die Künstler vom Symbolismus bis hin zur expressiv-humanistischen Figuration HAP Grieshabers schienen in so hohem Maße alles zur Alb gesagt zu haben, dass über Jahre hinweg das Thema aus dem Schaffen der Jüngeren ausgeblendet blieb. Jetzt erst tritt eine Enkelgeneration au dem langen Schatten, den insbesondere HAP Grieshaber von der Achalm herabgeworfen hatte. [...]

Wiederborstigkeit des Materials
Der 1949 geborene Norbert Klaus hingegen schaut nicht aufs Ganze, sondern aufs Detail, und das besonders scharf. Scharf muss auch sein Handwerkszeug sein, denn sein Material ist hartes Reisigholz. Das sperrige Material bindet er unverrückbar zusammen und formt daraus geometrische Figuren wie Kugel, Quader oder Ovaloid. Die streng begrenzten Formen sind nur duruch einen Schnitt zu erreichen, der vielfach schräg zu den Aststücken verläuft. Sie stehen in ihrer kompakten Stereometrie in reizvoller Spannung zur Widerborstigkeit wie zu den grafischen Schattenwürfen des Naturmaterials. [...]